Sie ist mit fast 550 Videoclips ein gefeierter Stern am Firmament der Online-Plattform YouTube. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass sie damit ihrem Alter weit voraus ist, in absolut positivem Sinne. Denn Greta Silver ist 73 Jahre jung, trägt gerne Lederjacke und einen silbergrauen Kurzhaarschnitt. „Silver“ ist dabei der Künstlername, den sie zum Start ihrer YouTube-Karriere annahm, um sich selbst in der digitalen Welt zu schützen. „Silver wie meine Haarfarbe“, sagt die sympathische Hamburgerin zur Wortwahl. „Aber es sollte auch etwas Einprägsames sein.“ Das war vor rund sieben Jahren. Heute ist der Name Greta Silver eine bekannte Marke und ein fester Bestandteil ihres Daseins, so sagt es auch ihr Personalausweis. Auch dort steht mittlerweile Silver, ganz offiziell. Über ihre YouTube-Videos, einen Podcast, Vorträge und Bücher begeistert sie als Mutmacherin, Impulsgeberin und Musterbeispiel ein Millionenpublikum.
Doch das war nicht immer so.
Als sich Greta Silver mit Anfang 30 und bis dato unerfülltem Kinderwunsch selbst die Frage stellt, was sie zu ihrem eigenen Glück brauche und wer zuständig dafür sei, beginnt ihre bisweilen schmerzvolle Transformation weg von seelischen Abhängigkeiten hin zu gelebter Selbstverantwortung und Freiheit, die später sogar zur Trennung von ihrem Ehemann führte.
„Ich merkte, dass ich eigentlich mein Umfeld für mein Glück verantwortlich machte“, berichtet Silver. „Dann zu erkennen, dass ich keinem mehr die Schuld in die Schuhe schieben konnte für mein Unglück, das war wirklich eine harte Nuss. Bis ich verstand, dass es Freiheit pur ist, nicht mehr von anderen Personen und Umständen abhängig zu sein. Das hat mir Flügel verliehen.“ Deshalb rät sie Zuschauern, Lesern und Zuhörern dringend dazu, sich von den von ihr sogenannten Geheimverträgen zu lösen.
Das Spiel mit dem schlechten Gewissen oder Schuldgefühlen sind zwei Beispiele für solche unsichtbaren, eingefahrenen Strukturen, die nicht einmal boshaften Ursprungs sind. Daraus werden allerdings sowohl Giftstoffe für die Partnerschaft wie auch in Familien Zündstoffe für regelrechte Generationenflächenbrände. Wenn man aber die eigenen Verantwortlichkeiten begreift und alles andere als Geschenk betrachtet, könnten sich solche schwelenden Konflikte schnell beseitigen lassen. Eine Situation, in der das für Greta Silver offensichtlich wird, ist das Babysitten der Großeltern, damit die Jungeltern arbeiten gehen können. Statt sich über die Hilfe der älteren Generation zu freuen, wird daraus nicht selten eine Selbstverständlichkeit gemacht und ein ungesundes Abhängigkeitsverhältnis entsteht.
Manchmal möchte die heute dreifache Mutter gerade die Menschen in jüngerem Alter kräftig schütteln, die schon jetzt so wenig vom Alter erwarten. Die Vorstellung von nachlassender oder gänzlich fehlender Wertschätzung für die ältere Generation in der Gesellschaft mag dabei eine Rolle spielen. Gegen Ende der Arbeitszeit und schlimmer noch beim Eintritt ins Rentenalter steigt die Gefahr, sich verloren und nutzlos zu fühlen. Lebensgeschichten und kostbares Wissen werden nicht mehr abgefragt, sondern drohen in immer schwächer werdenden Erinnerungen zu versanden, wenn man nicht selbst etwas dagegen unternimmt. „Jammern in der Dauerschleife ist eine Umweltbelastung! Jammern als Dating-Plattform zu nutzen, um Verbündete zu finden, ist eine gefährliche Sache. Wenn man sich vorstellt, das Alter sei schlimm, dann wird das Gehirn mir all das zeigen, was zu diesem Muster passt. Einschränkungen und Grenzen sind aber nur in unseren Köpfen.“