Manche Leute sind von Natur aus kreativer als andere. Das zeigen nicht zuletzt die zusammengetragenen Studien bei Laux. Es gibt jedoch zahlreiche Techniken, um Kreativität zu fördern und originellere Idee und Lösungen zu Problemstellungen zu erhalten. Eine davon ist die Zufallswortmethode. Einer bestehenden Aufgabe – z. B. einer Produktmodifikation oder einer möglichst originellen Bildbeschreibung – werden mehrere zufällige Schlagwörter, auch Reizwörter genannt, hinzugefügt. Laux stellt das anhand einer Fallstudie über die Berliner Verkehrsbetriebe dar, die nach der Arbeit mit dem Reizwort „Schuh“ letztlich zum 90. Geburtstag Schuhe mit integrierter Fahrkarte als Limited Edition herausbrachten.
Schuhe und Bahntickets zu kombinieren, um Marketing zu betreiben, darauf wäre man ohne Reizwort wahrscheinlich nicht gekommen. Bei vielen Kreativitätstechniken geht es genau darum: Es soll – wie Laux es betitelt – die „geistige Eingleisigkeit“ verlassen werden. Es soll über logische und banale Assoziationen hinweggedacht werden. Das geschieht über das Hinzufügen eines neuen Bezugssystems, was die Forschung „Bisoziation“ nennt.
Bei Laux wird das anschaulich anhand einer Probandin demonstriert, die wie andere Testpersonen zu einer Strichzeichnung möglichst kreative Interpretationen liefern sollte. In einer Testphase sollte sie die Abbildung mit Hilfe des zufälligen Reizwortes „brennen“ neuinterpretieren und kam auf sehr erstaunliche und originelle Lösungen – ja sogar Geschichten – die vorher in der Form undenkbar gewesen wären.
Eine weitere Möglichkeit, kreativ über Produkte, Prozesse und Probleme nachzudenken, ist die Analogiemethode. Die essenzielle Frage dabei ist: Was ist vergleichbar mit der eigenen Ausgangssituation?
Das fragte sich auch, wie Laux berichtet, die Notaufnahme einer Kinderklinik in London, die durch die Hilfe der Boxen-Crew des Formel-1-Rennstalls Ferrari ihre Effizienz in der Aufnahme und Behandlung von jungen Patientinnen und Patienten deutlich steigern konnte, weil sich beide Arbeitsbereiche in ihren Anforderungen, vor allem Zeitdruck und Präzision, doch sehr stark ähnelten.
Das einzige Manko, dass die Kreativitätsforschung in dieser Methode sieht, ist, dass im Grunde nichts gänzlich Neues entsteht, sondern lediglich bestehende Muster adaptiert werden. Der Kinderklinik hat dieser Ansatz jedoch sehr geholfen.
Eine ganz besondere, stimulierende Technik setzt der Kreativität sprichwörtlich den Hut auf. Die Sechs-Hüte-Methode nach Edward de Bono lässt aus der Suche nach Originalität ein Rollenspiel werden. Jeder Hut hat eine andere Farbe und steht somit für eine jeweils ganz spezielle Rolle und Sicht auf die Ausgangslage. Weiß steht für analytisches Denken, wohingegen der rote Hut das emotionale Denken repräsentiert. Schwarz ist der Pessimist und Kritiker, Gelb der Optimist unter den sechs Hüten. Und während der blaue Hut strukturiert arbeiten will, lässt der grüne seiner Kreativität freien Lauf. Jeder Hut hat zum Thema etwas aus seiner Sicht zu sagen und trägt so zu einer Vergrößerung der Bandbreite an Ideen bei. In einem Team kann unter jedem Hut ein anderes Teammitglied stecken. Man selbst kann aber auch jeden Hut nacheinander (imaginär) aufsetzen und die Rollen einnehmen, um eine Aufgabe zu bearbeiten.
In vielen Unternehmen, nicht nur in der Werbebranche, muss man ab und an Dinge neu denken. Egal ob Produkte, Prozesse oder Strukturen. Um Vorgänge zu beschleunigen oder auch neue Perspektiven zu generieren, sind solche Techniken sehr wertvoll. Vor allem, wenn man bei der Lösung eines Problems partout nicht weiterkommen will. Ob Schreibblockade oder Zweifel vor dem ersten Pinselstrich – ein frischer Impuls und ein anderer Blick auf die Dinge können durchaus helfen.
Mit der richtigen Strategie kann man womöglich auch selbsternannten Kreativmuffeln ein Stück Originalität entlocken. Und man kann Blockaden innerhalb des kreativen Schaffensprozesses viel leichter auflösen, wenn man sich der vielen Möglichkeiten aus der Kreativitätsforschung bewusst ist. Reize von außen, neue Perspektiven und das Zulassen subjektiv völlig abstruser Gedanken können spannende Prozesse im Menschen ankurbeln. Es muss ja nicht gleich die Erfindung der eierlegenden Wollmilchsau sein.
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Erschienen in: FÜNFZIG+ life – Ausgabe 02/2022