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Gut leben im besten Alter

Trauern ist nie einfach

Trauer- und Sterbebegleitung am Hospiz an der Lutter in Zeiten einer Pandemie

Manja Schondorf-Denecke, Koordinatorin für den ambulanten Bereich des Hospizes an der Lutter, wurde mal nach einer Definition von Trauer gefragt. „Das war gar nicht so einfach zu beantworten. Trauer ist aber auf jeden Fall immer individuell. Sie ist immer anders lang und anders intensiv.“ Sie sei eine natürliche Reaktion auf Verlust, egal ob Lebewesen oder Sache, sagt sie weiter.

Trauern ist nicht einfach und war es auch noch nie. Die Corona-Pandemie hat diese sensible Angelegenheit jedoch noch schwieriger gemacht. Das Virus hat nicht nur für eine Vielzahl an plötzlichen Todesfällen und somit viel Leid in der Bevölkerung gesorgt, sondern auch die Möglichkeiten der Sterbe- und Trauerbegleitung verändert. Ein gutes Beispiel liefert die Arbeit des Göttinger Hospizes: Das bis zum Beginn der Corona-Krise dankbar angenommene und gut frequentierte monatliche Trauercafé musste seine Pforten geschlossen lassen. Ebenso die weiteren Gruppenangebote des Hauses. Auch die Arbeit mit sterbenden Menschen und deren Angehörigen im Hospiz änderte sich schlagartig, als Mund-Nasen-Schutz, Besuchsverbote und Hygienemaßnahmen in den Arbeitsalltag Einzug hielten. „Unsere Arbeit ist immer nah am Menschen“, erklärt Manja Schondorf-Denecke. Mitgefühl zu zeigen und Nähe aufzubauen, sei durch die Maske vor dem Gesicht und dem fehlenden Körperkontakt deutlich erschwert worden. Die Situation sei insgesamt sowohl privat wie beruflich für alle in die Hospizarbeit involvierten Menschen sehr schwer gewesen.

Christine Sichtmann, Barbara Ahlrichs und Heide Reinshagen (v. l.) stehen für Trauergespräche auf dem Göttinger Stadtfriedhof zur Verfügung. (Foto: Johanna Jepsen / Hospiz an der Lutter)

Das Coronavirus hat die eigene Trauerarbeit durch Kontaktbeschränkungen und Lockdowns wieder zu einer einsameren Angelegenheit werden lassen. Wie vielerorts wurde daher auch am Hospiz in Göttingen umgedacht, um den Menschen trotz Ausnahmesituation in ihrer Trauer bestmöglich zu helfen. Dennoch kam der Zuspruch, der dem eigens ins Leben gerufenen Projekt „Trostpunkt“ im Göttinger Stadtfriedhof zuteilwurde, etwas überraschend. „Es kamen sogar Menschen ganz gezielt aus dem Umland zu uns an den Trostpunkt“, berichtet die Koordinatorin der Ambulanten Hospiz. Seit Anfang Juni stehen zwei ehrenamtliche Trauerbegleiterinnen einmal in der Woche für zwei Stunden am „Bogen der Erinnerung“ auf dem Stadtfriedhof an der Kasseler Landstraße. Entweder auf einer Bank oder während eines Spaziergangs bieten sie Trost und ein offenes Ohr.
„Die Lebendigkeit der Natur drängt sich dort geradezu auf“, sagt Schondorf-Denecke über den Stadtfriedhof. „Das Parkgefühl lässt Menschen leichter über ihre Trauer reden.“ Manchmal würden sich wildfremde Trauernde allein durch die Anwesenheit der Trauerbegleiterin gegenseitig austauschen.

Von den über 80 geschulten Ehrenamtlichen des Hospizes engagieren sich derzeit zehn bei der offenen Trauerbegleitung am Trostpunkt, der auch in den nächsten Monaten weiter regelmäßig besetzt werden soll. Denn das Trauercafé wird zwar seit Juli wieder angeboten, doch anstelle eines offenen Angebotes für jedermann, wird nur eine geschlossene, eingeladene Gruppe an Trauernden betreut.

Durch eine gute Öffentlichkeitsarbeit sei, so Schorndorf-Denecke, die Hospizarbeit in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Hospize sind als nicht-staatliche, bürgerliche Bewegung allerdings auf Zuwendungen aus der Bevölkerung und das ehrenamtliche Engagement angewiesen. Aber gerade das Sammeln von Spenden oder Gewinnen von neuen Freiwilligen war in den vergangenen Monaten vor allem wegen fehlender Bürgernähe auf Veranstaltungen problematisch. Der Trostpunkt zeigt aber, dass das Hospiz an der Lutter Trauernden auch in diesen Zeiten weiter beisteht.
Darüber hinaus dürfen derzeit auch wieder Gruppenangebote stattfinden, darunter der nach einem bundesweiten Konzept gestaltete „Letzte Hilfe Kurs“. In Anlehnung an die Erste Hilfe sollen hier Möglichkeiten vermittelt werden, wie man schwerkranke und sterbende Menschen würdevoll umsorgen kann. Etwas, was das Coronavirus über Monate hinnweg nicht zuließ.

Titelfoto: Adobe Stock